Einst wegen seines fettigen Fleisches gerühmt, geschätzt und weit verbreitet, gerieten das Mangalitsa- und das nahe verwandte schwalbenbäuchige Wollschwein beinahe in Vergessenheit. Heute überleben sie in Nischen.
„Doch das Schreiben und das Lesen ist nie mein Fach gewesen. Denn schon von Kindesbeinen befasst' ich mich mit Schweinen. Auch war ich nie ein Dichter. Potz Donnerwetter Parapluie! Nur immer Schweinezüchter, poetisch war ich nie! Ja -Mein idealer Lebenszweck Ist Borstenvieh, ist Schweinespeck!“ So besingt der Schweinezüchter Zsupán in der Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss seinen Beruf. 1885, zu Zeiten der Uraufführung, konnte der Komponist eigentlich nur das Mangalitza-Schwein gemeint haben. Schweinefleisch, das hiess damals wie schon seit Jahrtausenden mangels Kühlung vor allem eines: Speck und Schinken. „Lasse deine Herde bis Sankt Nikolaustag die reiche Ernte der Eichel fressen, lasse Ferkel wachsen. Füttere die Schweine mit Mais und Kürbis, wenn es an Eicheln fehlt. Zu Weihnachten, am Sankt Thomas Tag, schlachte die gut gefütterten Schweine, senge sie mit Stroh, mach reichlich Wurst und lasse Kenner das Fleisch aufschneiden. Spare nicht an Salz, wenn du den Speck und Schinken machst, und lasse sie dir schmecken zu deinem Wohle“. So hatte im frühen 18. Jahrhundert der ungarische Baron György Palocsai geraten. Damals wurden Schweine noch weitgehend in die Wälder getrieben, wo es immer wieder zu unbeabsichtigten Kreuzungen mit Wildschweinen kam. Und von eigenständigen Rassen sprach noch kein Mensch. Die Schweinezucht war Sache des Halters.
Das blonde Mangalitza-Schwein, aus dem aus einer Kreuzung mit kroatischen Syrmien-Schweinen das schwalbenbäuchige Wollschwein hervorging. (Bild: Quartl)
Grosse Karriere
Mit dem zunehmenden Raubbau am Wald und intensiviertem Ackerbau im 19. Jahrhundert brachen die Schweinebestände vor allem im westlichen Europa ein. In England begann man, das Borstenvieh einzustallen und gezielt Rassen zu züchten, die schneller an Gewicht zulegten. Dazu wurden chinesische Schweinerassen eingekreuzt – die Vorfahren der heutigen europäischen Edelschweinrassen. Doch deren Siegeszug in Kontinentaleuropa sollte noch auf sich warten lassen. In den so genannten Kronländern des Habsburgerreiches (heute Teile Tschechiens, Österreichs, Ungarns, Polens, Kroatiens, der Slowakei und Rumäniens) machte derweil im 19. Jahrhundert das Mangalitza-Schwein Karriere. Es ging um 1830 aus einer Kreuzung der „Szalonta“ (vermutlich italienischen Ursprungs) und Bakonya (aus ungarischen Wildschweinen gezüchtet) mit serbischen „Schumadinka“ hervor. Das ungarische Fettschwein schlechthin war geboren, von dem es einen blonden, roten und einen schwarzen (heute ausgestorben) Schlag gab. Die blonden Mangalitza wurden später mit kroatischen Syrmien-Schweinen gekreuzt. Daraus entwickelte sich das schwalbenbäuchige Mangalitza-Schwein. Mit seinen langen, gekrausten, wollgleichen Borsten, einem schwarzen Rücken, dem weissen Bauch und grossen Hängeohren sollte es eineinhalb Jahrhunderte zum Archetyp jener europäischen Schweinerasse werden, die dem Wildschwein noch am nächsten steht. Das zeigt sich besonders an den Ferkeln, die charakteristisch schwarz-weiss gestreift sind. Von Kroatien bis Rumänien bevölkerten die Mangalitza-Schweine, oft von Hirten begleitet, in ihren verschieden Schlägen Steppen und Wälder, Stoppeläcker und gemeinschaftlich bewirtschaftete Weiden. Die genügsamen, anspruchslosen Tiere machten mit ihrer hohen Fleischqualität und dem grossen Fettanteil auch im übrigen Europa Karriere. Um die Wende zum 20. Jahrhundert soll es in vielen Ländern Europas, auch der Schweiz, die häufigste Schweinerasse gewesen sein. Das spiegelt die nach wie vor weit verbreitete, extensive Haltung, für die die Mangalitza hervorragend geeignet waren, aber auch die grosse Nachfrage nach Speck und Schmalz: Fett eben, das damals nicht nur als Geschmacksträger, sondern auch als Energielieferant gefragt war, lange bevor die Menschen in den durch und durch industrialisierten Ländern begonnen hatten, nach fettarmem Fleisch zu fragen, nur um sich hinter ihrem eigenen Rücken mit allerlei verstecktem Fett einzudecken. Übergewicht und Fettleibigkeit sind der Makel des modernen Menschen, nicht seiner Vorfahren, die das Fett gar zum Operettenthema gemacht hatten.
Das schwalbenbäuchige Wollschwein (oder wollhaariges Weideschwein) erfreut sich heute in Nischen wieder steigender Beliebtheit. (Bild: Nienetwiler)
Späte Anerkennung als Rasse
Als eigenständige Rasse anerkannt wurden die Mangalitza erst 1927. Im Rückblick gleicht das einem Versuch, zu retten, was nicht mehr zu retten war. Mit der Mechanisierung und der Industrialisierung der Landwirtschaft und einer wachsenden Nachfrage nach fettarmen, rascher wachsenden Rassen, die sich für die Stallhaltung eigneten, war es mit der fetten Herrlichkeit des langsam wachsenden Mangalitza-Schweines vorbei. Binnen nur einer Menschengeneration verschwanden sie ab 1950 praktisch von der Bildfläche. Nur im kommunistischen Ungarn wurden sie noch gezüchtet. Die Programme wurden nach dem Fall des Eisernen Vorhanges eingestellt. In Österreich gelang es in den Jahren 1989 und 1990 mit Importen aus ungarischen Beständen die bereits stark inzuchtgefährdeten einheimischen Mangalitza vor dem Aussterben zu retten. Heute haben sie sich im Burgenland, namentlich im Nationalpark Seewinkel, in geringer, aber überlebensfähiger Anzahl wieder etabliert. Auch in der Schweiz gelang es, das schwalbenbäuchige Mangalitza-Schwein, bekannter unter dem Namen wollhaariges Weideschwein, zu erhalten. Es wurde gar zum Symbol für den Wert alter Tierrrassen schlechthin. Heute liegt die Zucht vor allem in Händen von Hobbyhaltern. Das stark marmorierte Fleisch, dessen Geschmack an Wildschein erinnert, wird frisch zubereitet zur zunehmend gefragten Delikatesse, während Speck, Würste und Schinken, des hohen Fettgehaltes wegen, einer kundigen, professionellen Hand bedürfen, um deren geschmackliche Eigenart zur Geltung zu bringen.
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Alle Bilder © T. Veser